Lee Jae-myungs Berufungsverfahren: Justizkrise und gesellschaftliche Polarisierung

Juristisches Tauziehen um den Präsidentschaftskandidaten
Das Oberste Gericht verwies am 1. Mai 2025 den Fall von Lee Jae-myung wegen Verstoßes gegen das Wahlgesetz an das Seoul High Court zurück – mit der klaren Aufforderung zur Verurteilung. Diese als »Schuldparaphrasen-Rückverweisung« bekannte Prozedur stellt eine schwere Niederlage für den Demokratiepartei-Kandidaten dar. Experten sehen hier ein juristisches Damoklesschwert: Selbst wenn das Hochgericht binnen vier Wochen entscheiden sollte, bliebe für einen erneuten Revisionsantrag beim Obersten Gericht keine Zeit mehr vor der Wahl am 3. Juni.
Rechtsexperten der Hankyoreh-Zeitung weisen darauf hin, dass dieses Verfahren historisch nur in 3% aller Fälle angeordnet wird – meist bei schwerwiegenden Fehlern der Vorinstanz. Die Tatsache, dass Lee bereits in erster Instanz freigesprochen wurde, unterstreicht die politische Brisanz dieses Justizakts.
Politisches Echo: Zwischen Triumph und Empörung
Die regierende Volksmachtpartei begrüßte die Entscheidung als »Sieg der Common-Sense-Justiz«. Parteisprecher Hong Ui-pyo betonte in einer Pressemitteilung: »Das Urteil bestätigt unsere langjährige Kritik an Lees moralischer Unfähigkeit für höchste Ämter.«
Demokratiepartei-Anhänger reagierten mit Massenprotesten vor dem Gerichtsgebäude. Auf Transparenten war von »politisierter Justiz« und »Wahlkampfsabotage« die Rede. Interne Parteiquellen sprechen von einer Strategie, den Fall als Opfernarrativ für den Wahlkampf zu instrumentalisieren.

Digitale Stammtische: Die Netzbürger urteilen mit
In südkoreanischen Online-Foren brodelt es:
- DC Inside-User vergleichen Lee mit »einer Seokdal-Puppe im Juristentheater« (Anspielung auf traditionelle Marionetten)
- Natepan-Nutzer diskutieren hitzig über mögliche Wahlszenarien: »Selbst mit Verurteilung könnte sein Märtyrer-Image Wähler mobilisieren«
- Theqoo-Foren zeigen gespaltene Meinungen: Feministische Gruppen kritisieren Lees Haltung zu Genderfragen, während junge Progressive von »Systemjustiz« sprechen
- PGR21-Liberale fordern eine »Entpolitisierung des Rechtswesens« und verweisen auf ähnliche Fälle unter konservativen Regierungen
Kultur der Konfrontation: Han und Heung im Machtpoker
Der Fall offenbart tiefe kulturelle Risse:
1. **Han (Collective Resentment)**: Lees Anhängerschaft deutet den Prozess als Fortsetzung historischer Unterdrückung progressiver Bewegungen
2. **Jeong-Netzwerke**: Konservative Medien betonen Lees angebliche Verstöße gegen konfuzianische Pflichtethik
3. **Ppalgaengi-Phänomen**: Die Jugendkultur des »Rebellierens um des Rebellierens willen« findet in Lees Kampfrhetorik neuen Nährboden
4. **Kkangpae-Narrativ**: Rechtslastige YouTuber inszenieren den Kandidaten systematisch als »politischen Gangster«
Medienkrieg: Framing-Battles zwischen Portalen
Naver-Blogs zeigen ein widersprüchliches Bild:
- »Bora912« analysiert juristische Details als Wahlkampf-Hintergrundrauschen
- »News33net« fordert Lees sofortigen Rückzug mit Verweis auf »moralische Autorität«
- Progressive Blogger vergleichen den Fall mit historischen Justizskandalen unter Militärdiktaturen
JoongAng- und Chosun-Ilbo-Kommentatoren nutzen den »Grimassen-Lee«-Meme (dt. »Lee mit verzerrtem Gesicht«) als visuelle Kampagnenwaffe
Wahlprognosen: Das Damoklesschwert schwingt weiter
Trotz juristischer Risiken halten 43% der Wähler laut Realmeter-Umfrage an Lee fest. Soziologen erklären dies mit:
- Generationskonflikt (Junge vs. Alte)
- Regionalismus (Gyeongsang vs. Honam)
- »Underdog-Syndrom« in wirtschaftlichen Krisenzeiten
Kulturanthropologen warnen vor langfristigen Vertrauensverlusten: »Wenn Rechtsprechung als politisches Schachbrett wahrgenommen wird, untergräbt dies die Grundfesten unserer Han-Gesellschaft.«
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