Südkorea: Mindestlohnausschuss überschreitet erneut gesetzliche Frist - 1.390 Won Differenz trotz zweiter Änderungsanträge

Der jährliche Kampf um Südkoreas Mindestlohn: Ein sich wiederholender Zyklus
Erneut hat der südkoreanische Mindestlohnausschuss die gesetzliche Frist zur Bestimmung des Mindestlohns für 2026 überschritten und damit ein weiteres Jahr verlängerter Verhandlungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern markiert. Die siebte Vollversammlung, die am 26. Juni im Regierungskomplex Sejong abgehalten wurde, verdeutlichte die tiefen Spaltungen, die im südkoreanischen Arbeitsmarkt fortbestehen.
Obwohl beide Seiten ihre zweiten Änderungsanträge in einem Versuch vorlegten, ihre Positionen anzunähern, bleibt die Lücke von 1.390 Won pro Stunde zwischen den gewerkschaftlichen und unternehmerischen Vorschlägen erheblich. Die Arbeitnehmer schlagen 11.460 Won pro Stunde vor und reduzieren damit leicht ihre ursprüngliche Forderung von 11.500 Won, während die Arbeitgeber 10.070 Won pro Stunde anbieten - eine Erhöhung von nur 0,4% gegenüber dem aktuellen Lohn von 10.030 Won.
Diese Situation spiegelt die strukturellen Spannungen einer Wirtschaft wider, die das Wohlergehen der Arbeitnehmer mit der Nachhaltigkeit der Unternehmen in Einklang zu bringen sucht, insbesondere nach den wirtschaftlichen Herausforderungen, die sich aus der politischen Instabilität des vergangenen Winters ergaben.
Gewerkschaftsforderungen: Strategische Mäßigung in schwierigen Zeiten

Die südkoreanischen Gewerkschaften haben in diesem Jahr eine bemerkenswert gemäßigtere Haltung eingenommen als in früheren Verhandlungen. Ihr ursprünglicher Vorschlag von 11.500 Won pro Stunde (14,7% Erhöhung) stellt genau die Hälfte der im vergangenen Jahr geforderten Erhöhung dar, als sie eine Steigerung von 28% verlangten.
Ryu Ki-sup, Generalsekretär der koreanischen Gewerkschaftsvereinigung und Vertreter der Arbeitnehmer, erklärte, dass diese Mäßigung eine sorgfältige Berücksichtigung der aktuellen wirtschaftlichen Situation widerspiegelt. Seinen Aussagen zufolge verursachte die schwere politische Situation des vergangenen Winters eine erhebliche Kontraktion des Inlandskonsums, einen Faktor, den die Gewerkschaften in ihre Berechnungen einbezogen haben.
Die Gewerkschaftsvertreter argumentieren, dass die Lebenshaltungskosten für Familien, die vom Mindestlohn abhängen, insbesondere solche mit mehreren Angehörigen, das aktuelle Niveau von 10.030 Won pro Stunde erheblich übersteigen. Sie betonen, dass die Kluft zwischen Lohnwachstum und Inflation die reale Kaufkraft der Arbeitnehmer in den letzten Jahren erodiert hat und damit die Notwendigkeit einer erheblichen Anpassung rechtfertigt.
Unternehmerposition: Extreme Vorsicht angesichts wirtschaftlicher Belastungen
Auf Seiten der Unternehmen stellt der Vorschlag von 10.070 Won pro Stunde eine minimale Änderung gegenüber ihrer ursprünglichen Position eines vollständigen Einfrierens des Mindestlohns dar. Diese Erhöhung um 0,4% spiegelt die enormen finanziellen Belastungen wider, denen sich südkoreanische Unternehmen gegenübersehen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, die das Rückgrat der Wirtschaft bilden.
Die Arbeitgeber haben konsequent ihre Bedenken über die Auswirkungen erheblicher Lohnerhöhungen auf die Lebensfähigkeit der Unternehmen geäußert. Sie argumentieren, dass viele Kleinunternehmer und Selbstständige bereits darum kämpfen, die Rentabilität in einem herausfordernden wirtschaftlichen Umfeld aufrechtzuerhalten, das von der jüngsten politischen Unsicherheit und globalen Handelsspannungen geprägt ist.
Der koreanische Arbeitgeberverband hat darauf bestanden, dass jede Entscheidung über den Mindestlohn die anfälligsten Geschäftssektoren berücksichtigen muss, und warnt davor, dass erhebliche Erhöhungen Geschäftsschließungen und Arbeitsplatzverluste erzwingen könnten, insbesondere in arbeitsintensiven Sektoren wie Gastronomie und Einzelhandel.
Historischer Kontext: Ein Muster verspäteter Entscheidungen
Die Nichteinhaltung der gesetzlichen Frist ist keine Neuheit im südkoreanischen Prozess der Mindestlohnbestimmung. Seit der Einführung des Systems im Jahr 1988 hat der Ausschuss die Frist vom 29. Juni nur neunmal in 37 möglichen Jahren eingehalten. Dieser Trend unterstreicht die inhärente Komplexität des Ausgleichs gegensätzlicher Interessen in einer der dynamischsten Volkswirtschaften Asiens.
Der Mindestlohn 2025, festgelegt auf 10.030 Won pro Stunde, markierte einen historischen Meilenstein als der erste, der 10.000 Won überstieg, obwohl die Erhöhung um 2,5% eine der niedrigsten der letzten Jahre war. Diese Mäßigung folgte auf Jahre substanzielleren Wachstums, einschließlich Erhöhungen von 5,1% im Jahr 2022 und 5,0% im Jahr 2023.
Unter der Regierung Moon Jae-in erreichten die Erhöhungen Rekordniveaus mit Steigerungen von 16,4% im Jahr 2018 und 10,9% im Jahr 2019, wodurch der Mindestlohn in nur zwei Jahren von 6.470 Won auf 8.350 Won anstieg. Diese Zahlen stehen in starkem Kontrast zur aktuellen Mäßigung und spiegeln unterschiedliche Wirtschaftsphilosophien zwischen progressiven und konservativen Regierungen wider.
Soziale und wirtschaftliche Auswirkungen: Jenseits der Zahlen
Die Bestimmung des Mindestlohns geht über wirtschaftliche Zahlen hinaus und wird zu einem Indikator für das soziale Modell, das Südkorea aufbauen möchte. Befürworter der Erhöhung argumentieren, dass ein robuster Mindestlohn nicht nur die Lebensbedingungen der Arbeitnehmer verbessert, sondern auch den Inlandskonsum stimuliert und die Einkommensungleichheit reduziert.
Die südkoreanischen Online-Communities, von Naver bis zu verschiedenen spezialisierten Foren, spiegeln die gesellschaftliche Polarisierung zu diesem Thema wider. Während Arbeitnehmer ihre Frustration über die Stagnation ihrer realen Einkommen angesichts steigender Lebenshaltungskosten ausdrücken, äußern Kleinunternehmer Sorgen über ihre Fähigkeit, zusätzliche Arbeitskosten zu absorbieren.
Daten des Mindestlohnausschusses zeigen, dass 2024 die Lebenshaltungskosten um 7,5% stiegen, während der Mindestlohn nur um 2,5% wuchs, was eine Erosion der Kaufkraft verdeutlicht. Darüber hinaus bedeutete die Erweiterung des Anwendungsbereichs des Mindestlohns in den letzten fünf Jahren, dass, obwohl der Lohn nominal steigt, die von den Arbeitnehmern wahrgenommene reale Erhöhung geringer ist.
Zukunftsperspektiven und erwartete Lösung
Mit der bereits überschrittenen gesetzlichen Frist wird der Ausschuss die Beratungen im Juli fortsetzen, wobei eine neue Vollversammlung für den 1. Juli geplant ist. Branchenbeobachter erwarten, dass die endgültige Lösung das Eingreifen der Mitglieder des öffentlichen Interesses erfordern wird, die traditionell eine entscheidende Rolle spielen, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber keine Einigung erzielen können.
Wirtschaftsprognosen deuten darauf hin, dass der Mindestlohn 2026 zwischen 10.200 und 10.500 Won pro Stunde liegen wird und einen Kompromiss zwischen den extremen Positionen darstellt. Diese Vorhersage basiert auf historischen Mustern und der Notwendigkeit, soziale Forderungen mit wirtschaftlicher Stabilität in Einklang zu bringen.
Die Lösung dieser Verhandlungen wird wichtige Präzedenzfälle für künftige Lohndiskussionen schaffen und Südkoreas Ansatz zur Balance zwischen Wirtschaftswachstum und sozialer Gerechtigkeit in einem zunehmend herausfordernden globalen Umfeld widerspiegeln. Das endgültige Ergebnis wird nicht nur die Einkommen von Millionen von Arbeitnehmern bestimmen, sondern auch Signale über die wirtschaftlichen und sozialen Prioritäten des Landes für die kommenden Jahre senden.
Mehr entdecken

PharmaResearch Übernimmt CTC Bio: Strategische Umstrukturierung für Pharma-Transformation
CTC Bio, nun unter der Kontrolle von PharmaResearch, führt eine umfassende Umstrukturierung durch, indem verlustbringende Tochtergesellschaften liquidiert und der Fokus auf hochwertige Pharma-Geschäfte gelegt wird, um eine Rentabilitätswende zu erreichen.

Gitarrenlehrer wegen Missbrauchs von Minderjährigen verurteilt: Schockierende Begründung 'Ich vermisste meine erste Liebe'
Ein 32-jähriger Gitarrenlehrer auf Jeju wurde zu 11 Jahren Haft verurteilt, nachdem er drei minderjährige Schülerinnen sexuell missbraucht hatte. Seine Begründung schockierte alle.